Verantwortung

Es ist zu verlangen, dass der Staat und seine Organe umfassend vorbildlich agieren, ansonsten kann dies von seinen Bürgern nicht erwartet werden. Wenn die Gesetze und die gesetzgebenden Organe und deren Regeln vom Staat nicht mehr umfassend beachtet und respektiert werden, hat dies Auswirkungen auf jeden einzelnen Bürger und auf andere Staaten. Je mächtiger der Staat, der Gesetze und Regeln bricht, ist, desto mächtiger sind die Auswirkungen.

Die Vorform solchen Tuns ist das Streben, anderen, zum Beispiel dem politischen »Gegner«, vorsätzlich zu schaden. Ein solches Denken und Handeln widerstrebt den Prinzipien fairen Wettbewerbs, der Demokratie und dem Wohlstand und Glück der Menschen und ist umfassend zu ächten.

Es gibt also keine Alternative zum Dialog, zur Kommunikation, zur Zusammenarbeit, zur Abstimmung miteinander?

Das Ende vom Dialog ermöglicht es, Recht zu haben und Recht zu behalten, egal, ob man wirklich Recht hat oder nicht, denn ab dieser Entscheidung der Beendigung des Dialogs beendet man auch die Kritik, der man durch den Dialog ausgesetzt ist. Spricht man nicht mehr mit anderen, die anderer Meinung sind, muss man auch keine andere Sichtweise als die eigene mehr ertragen und wähnt vielleicht, besser schlafen zu können.

Die diese Entscheidung treffen, die keinen Dialog möchten mit denen, die anderer Meinung sind, wollen nur in ihrer eigenen, der einen Realität leben und wähnen sich dort in größerer Sicherheit – und fühlen sich dadurch immer mehr bedroht von anderen, die ihre Meinung nicht teilen, denn das Ende des Dialogs ist oft der Beginn feindlicher Gefühle. Dann braucht man womöglich Waffen, um sich gegen diese vermeintliche Bedrohung verteidigen zu können.

Andere Meinungen existieren also, auch wenn man sie sich nicht anhört und sie ignoriert. Schauen wir uns die Geschichte an, so zeigt sie uns kontinuierlich, wie das Nebeneinanderleben anderer Meinung mindestens immer dann zu Mord führt, wenn eine Gruppe, die mächtig wurde, den Dialog nicht mehr sucht, sondern beendet, denn diese Entscheidung führt zur Ausgrenzung.

Die Ausgrenzung, das Verweisen eines einzelnen oder einer Gruppe aus der Gemeinschaft führt in ihrer Absolutheit zur Vernichtung der Ausgegrenzten. Ausgrenzer sollten sich dessen bewusst sein, was sie tun und sollten sich fragen, ob das Mittel der Ausgrenzung nicht ausreichend seine Untauglichkeit bewiesen hat:
Ausgrenzung, Ausweisung, Ausschluss, Schluss, Ende, Tod, Mord.
Einsamkeit, Eingrenzung, Einweisung, Einschluss, Vereinigung, Einheit.

In der Sprachlosigkeit stellt sich die Frage, wer mit dem Sprechen anfängt. Wer tut den ersten Schritt?

Wer hat mehr gelitten?
Der Ältere fängt an.
Der Stärkere fängt an.
Der Klügere fängt an.
Der Weitsichtigere fängt an.
Der Geduldigere fängt an.
Die Großherzigere fängt an.
Die Vernünftigere fängt an.
Die Weisere fängt an.
Die Verträglichere fängt an.
Die Beredsamere fängt an.

Irgendeinen Grund zum Anfang gibt es immer. Man muss ihm nur nachgeben (wollen) und es dann tun.

Neben allen Tugenden gibt es eine, die für die Zukunft unseres Zusammenlebens die Leittugend ist: die Verantwortlichkeit.

Die Verantwortlichen fangen an.

Die, die Antwort suchen.
Die, die verstehen wollen.
Die, die über sich selbst hinaus blicken wollen und können.
Die, die verstehen, dass schon die Tatsache, dass sie über sich selbst hinausblicken können, ein Privileg ist, das durch Bildung ermöglicht wurde, zu der nicht jede/r gleichen Zugang hat.

Wenn wir Deutschen heute unserer Verantwortung folgen, die wir als Bürger unseres Landes nicht nur für uns heute, sondern für uns und unsere Geschichte tragen, dann sind wir zukunftsfähig. Wir können nicht glauben, eine tragende Zukunft ohne umfassendes Verständnis der Vergangenheit erschaffen zu können.

Wenn wir als Deutsche zu unserer Verantwortung stehen, so tragen wir Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft insbesondere für die von unserer Nation – und die Zeitzeugen sprechen von den Deutschen und nicht von den Nazis – entwurzelten Menschen jüdischer Herkunft bzw. jüdischen Glaubens.

Wenn heute mehr denn jemals zu einem anderen Zeitpunkt in der Weltgeschichte sich die Juden mit ihrer Nation umfassend bedroht sehen, so sind wir als Deutsche gefordert, hierauf zu antworten, und diese Antwort kann nur lauten: Wo jüdisches Leben bedroht ist, wird Deutschland vorbehaltlos helfen. Deutschland wird ungeachtet politischer, religiöser, weltanschaulicher oder sonstiger Differenzen jüdischem Leben Schutz gewähren und dafür die Ressourcen zur Verfügung stellen, die nötig sind, um diesem Ziel gerecht zu werden. Nie mehr werden wir Deutsche zulassen, dass Juden ermordet werden, weil sie Juden sind.

Deutschland und wir Deutschen werden darüber hinaus erklären, wie es zu einem solch umfassenden Massenmord kommen konnte und wir werden im Dialog mit den anderen Nationen und Gruppen unser Wissen vorbehaltlos zur Verfügung stellen und, wie dies bereits geschehen ist und geschieht, an der Weiterentwicklung unseres Wissens intensiv arbeiten.

Kernpunkt dieses Wissens ist das Verständnis für die Notwendigkeit eines umfassenden Respektes und Schutzes jedes einzelnen Lebewesens und eines umfassenden Schutzes der nationalen wie internationalen Gesetze und der Schaffung einer stabilen nationalen wie internationalen demokratischen Rechtsordnung.